OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
Klaus Graf (14. Oktober 2025). Werden Historiker wegen KI überflüssig? Archivalia. Abgerufen am 16. November 2025 von https://doi.org/10.58079/14y24
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Klaus Graf (14. Oktober 2025). Werden Historiker wegen KI überflüssig? Archivalia. Abgerufen am 16. November 2025 von https://doi.org/10.58079/14y24
Nicht KI, sondern die Politik wird den Historiker überflüssig machen. Die Geisteswissenschaften stehen noch ganz im cultural turn der 1960er und 1970er Jahre. Sie haben bedeutende gesellschaftliche Entwicklungen und andere politische Bedürfnisse einfach nicht zur Kenntnis genommen. Geisteswissenschaftler äußern sich zu Gendernsternchen, Kuchbüchern im Mittelalter, Frauengerechtigkeit im frühen 18. Jahrhundert, cancel culture in der Antike und dem christlichen Rassismus im 16. Jahrhundert, aber nicht zu Themen, die aktuell wichtig sind.
Die Politik ganz gewiss nicht: die braucht gesc hichtsbeflissende Historiker (für die “memoire”, also für Gedenktage u.ä. ). Was Historiker sonst noch treiben, nennt man Freiheit der Wissenschaft (ob “histoire” grad interessiert oder nicht, stand schon immer auf einem anderen Blatt). – KI kann gute Texte bauen, die nix enthalten als das, was man ohnehin schon weiß, weil’s digital in hoher Zahl vervielfäligt ist: Thesen und Abstimmung mit den Füßen sozusagen…:-)
An die politische Neutralität der Historiker glaube ich auch nicht, eher an Gnome, Zwerge, Heinzelmännchen und Fabelwesen. Ich halte es eher mit Hannah Arendt. Arendt war der Ansicht, dass Wissenschaft stets in soziale und politische Zusammenhänge eingebettet ist. Und sie wusste, wovon sie sprach, da sie den politischen Umschwung ab 1930 hautnah miterlebte.
Die Humboldtunivesität gibt es schon lange nicht mehr. Die Freiheit moderner Wissenschaft ist in Wirklichkeit Netzwerk- und Clusterwirtschaft. Das ergibt sich aus der Selbstrekrutierungspraxis und den Bedürfnissen des Wissenschaftsbetriebs. Eine politisch neutrale KI gibt es ebenfalls nicht. Vielleicht ist das ja auch eine der Gründe, weshalb KI nie alles ganz ersetzen können wird.
Nicht überflüssig, aber es bringt endlich Schwung in eine verstaubte Branche.
Welch schöne Aussichten 300 Jahre nach Alexander Pope (“Whatever is, is right”, 1734): Weltsicht[en] besenrein und Langeweile mit weißen Handschuhen, einzig da, das Gärtlein zu bestellen wie Voltaires “Candide” (1759) am Ende seiner Reise durch die Schrecknisse menschlichen Willens…?