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Haben die Welfen hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse des Evangeliars Heinrichs des Löwen gelogen?

Peiner Allgemeine Zeitung vom 09.10.2025, Seite 6

“Das Evangeliar Heinrichs des Löwen ist einer der kostbarsten Kunstschätze des Mittelalters. Lange war es verschollen, erst 1983 tauchte es wieder auf. Wo es gesteckt hatte, blieb seither im Dunkeln. Doch jetzt bricht ein Welfenprinz sein Schweigen. […]

In seinem jetzt veröffentlichten Buch „Das Haus Hannover – Abgedankt?“ erzählt Heinrich, Prinz von Hannover, was seither mit dem Evangeliar geschah.

Als sich 1945 abzeichnete, dass Schloss Blankenburg in den Machtbereich der Sowjets fallen würde, boten die Briten den Welfen unbürokratische Hilfe an. Schließlich hatte das Adelshaus einst auch in London geherrscht. Unter dem Schutz von drei englischen Panzerwagen fuhren 30 Lastwagen vier Wochen lang zwischen Blankenburg und Schloss Marienburg bei Hannover hin und her, um die Habe der Welfen in Sicherheit zu bringen – darunter Gemälde, Skulpturen und Porzellan. Noch im selben Jahr habe seine Familie das Evangeliar und andere Preziosen nach London geschickt, um sie dort zu verwahren, schreibt Heinrich von Hannover. Doch da es illegal gewesen sei, Kunstschätze aus dem besetzten Deutschland abzutransportieren, sei das Evangeliar 1946 zurück auf die Marienburg gekommen – getarnt als Diplomatenpost.

Im Safe auf der Marienburg

Zunächst sei das Buch dort in einem Safe aufbewahrt worden. Im Jahr 1954 habe sein Vater Ernst August von Hannover (1914 bis 1987) dann aber den regierenden Fürsten Franz Josef II. von und zu Liechtenstein getroffen. Dieser habe „sehr diskret“ ein Schließfach in Vaduz zur Verfügung gestellt, um die Handschrift dort zu deponieren – luftdicht verschlossen, in einer Zinkbox.

Erst im Spätsommer 1983 habe sein Vater es nach knapp 30 Jahren wieder aus dem Schließfach geholt. Durch einen Boten aus dem „engsten Freundeskreis“ sei das Buch dann nach London gelangt, schreibt Heinrich von Hannover.

[…]

Der damalige Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) versicherte, dass das Evangeliar zum Zeitpunkt der Versteigerung nicht im Eigentum des Welfenhauses gewesen sei. Dazu verlas er im Landtag einen Brief des 1954 geborenen Ernst August von Hannover, der später als „Prügelprinz“ Schlagzeilen machen sollte. „Das Evangeliar befand sich zum Zeitpunkt der Versteigerung, und dies seit vielen Jahren, nicht mehr in unserem Eigentum“, beteuerte dieser in dem Schreiben. Vom Erlös der Versteigerung habe seine Familie folglich nichts erhalten. Das Buch, das Ernst Augusts Bruder Heinrich jetzt veröffentlicht hat, stellt diese Version nun klar infrage.”


OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
Klaus Graf (10. Oktober 2025). Haben die Welfen hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse des Evangeliars Heinrichs des Löwen gelogen? Archivalia. Abgerufen am 16. November 2025 von https://doi.org/10.58079/14w77


Autor: Klaus Graf

Historiker und Archivar, Blogger

2 Gedanken zu „Haben die Welfen hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse des Evangeliars Heinrichs des Löwen gelogen?“

  1. @Ex-Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU)

    „Hat Albrecht die Steuermillionen für das Evangeliar dem befreundeten Welfen-Haus zugeschanzt?“

    »Die Angelegenheit stinkt.« so Rolf Wernstedt (SPD):

    https://de.wikipedia.org/wiki/Rolf_Wernstedt

    „Der Mönch Herimann hat es vor 800 Jahren im Kloster Helmarshausen geschrieben, der blinde hannoversche König Georg V. hat es 1861 für 10000 Taler vom Prager Domkapitel gekauft, für 32,5 Millionen Mark wurde es am Nikolaustag 1983 bei Sotheby in London im Auftrag des Landes Niedersachsen ersteigert: Das sind die einzigen Daten über das Evangeliar Heinrichs des Löwen, die wirklich unumstritten sind.

    Wo das gute Welfen-Stück, das in feiner Handschrift, prächtig illustriert, den lateinischen Text der vier Evangelien enthält, im Laufe der Jahrhunderte überall herumgeisterte, ist Gegenstand wissenschaftlichen Streits. Von politischem Gewicht aber wird mehr und mehr die Frage, wer die Antiquität denn nun eigentlich versteigern ließ und die horrende Summe einstrich, die da aus Steuermitteln bezahlt wurde.

    Die Welfen-Familie, in deren Schoß das Bilderbuch durch den Prager Gelegenheitskauf zurückgefallen war, hat lediglich wissen lassen, sie habe von dem Versteigerungserlös »nichts erhalten«. Auch die niedersächsische CDU-Landesregierung entschuldigte sich bislang mit Nichtwissen: »Es gibt«, so Ministerpräsident Ernst Albrecht, »nun einmal keinen Rechtsanspruch auf Befriedigung unserer Neugier.«

    Vielleicht doch. Knapp vor der Niedersachsen-Wahl sind die bislang vagen Zweifel, ob bei dem Millionending alles mit rechten Dingen zuging, plötzlich konkret geworden. Der sozialdemokratische Landtagsabgeordnete Rolf Wernstedt, Akademischer Oberrat und Historiker, ist jedenfalls sicher, daß die Albrecht-Regierung »wichtige Informationen über die Eigentumsverhältnisse des Evangeliars verschwiegen« und damit »zu Lasten des Landes und zugunsten Dritter ihre Pflicht nicht erfüllt hat«.

    Tatsächlich hat sich die Landesregierung bisher damit begnügt, dem Parlament und der Öffentlichkeit vorzulesen, was das welfische Haus Hannover jeweils zum Thema verlauten ließ.

    So »ermächtigte« Ernst August, Prinz von Hannover und Juniorchef des Hauses, den Ministerpräsidenten, »öffentlich Gebrauch« von einem Brief zu machen, den er »in Anbetracht der erheblichen öffentlichen Diskussionen« um das Evangeliar, die »auch meine Familie in Mitleidenschaft gezogen haben«, an Albrecht geschrieben hatte. Das Evangeliar, heißt es darin, »befand sich zum Zeitpunkt der Versteigerung, und dies seit vielen Jahren, nicht mehr in unserem Eigentum, das heißt, weder in meinem noch im Eigentum meines Vaters oder meiner Geschwister oder Nachkommen«.

    Und in einer schriftlichen Antwort der Landesregierung auf eine SPD-Anfrage im Landtag zitierte Wissenschaftsminister Johann-Tönjes Cassens ein sehr viel älteres Schreiben, das diese Lesart zu bestätigen schien: Unter dem 19. September 1967 habe der Rechtsvertreter des Hauses Hannover mitgeteilt, »daß das Evangeliar sich auch schon im Jahre 1955 und früher im Ausland befunden hat«.

    Wie es dahin gekommen ist, wußte im Landtag wiederum der CDU-Abgeordnete Adolf Freiherr von Wangenheim zu erzählen: Den »schönen Gegenstand« habe die Fürstenfamilie nach 1945 aus Geldnot im Ausland verpfändet, dazu hätten »ausländische Verwandte« beigetragen. Und »daraus« sei »dann der Personenkreis entstanden«, der das Evangeliar versteigerte.

    Zur »Besitzgeschichte« legte die niedersächsische Regierung auch eine siebzig Seiten lange Studie des greisen Göttinger Historikers Georg Schnath, 87, vor. Das Papier entstand »unter Mitwirkung der niedersächsischen Archivverwaltung«, die von Albrechts Staatskanzlei beaufsichtigt wird. Viel ist darin von uralten Zeiten, von den Jahren nach 1945 aber nur ein zehneinhalb Zeilen kurzer Absatz zu lesen – obwohl im »Verzeichnis der benutzten Archivalien« nicht weniger als sieben Aktenbestände aufgeführt sind, die erst 1983 an das Hauptstaatsarchiv Hannover abgegeben wurden.

    Darüber wollte Sozialdemokrat Wernstedt, in Archivarbeit geübt, Genaues wissen. In Pattensen bei Hannover, wo das Archiv untergekommen ist, begehrte er Einsicht in die fraglichen staatlichen Bestände, setzte sich mit den Dokumenten in den Lesesaal und erlebte zwei Überraschungen.
    Die eine: Nach kaum zehn Minuten teilte der Aufsichtsbeamte mit, er müsse die Akten wieder einziehen, weil die Sperrfrist von dreißig Jahren noch nicht abgelaufen sei; es tue ihm leid, »aber ich handele auf Weisung«.

    Die Weisung, wie Wernstedt erfuhr, kam aus Albrechts Kanzlei. Die belehrte ihn danach schriftlich, daß sich in den erbetenen Archivalien »auch Angaben befinden, die geeignet sind, die Vermögensverhältnisse noch lebender Privatpersonen zu berühren«.

    Wohl wahr. Die andere Überraschung nämlich fand Wernstedt, so wenig Zeit ihm auch verblieb, in zwei Akten mit der Signatur »Nds. 401 acc. 112/83 Nr. 321 und 322«.

    Dort entdeckte er, daß die Regierung den Brief des Welfen-Anwalts vom September 1967 nur halb zitiert und die wichtigere Hälfte ausgelassen hatte. Sie besagt, so Wernstedt, daß sich entgegen allen Behauptungen des Hauses und der Landesregierung Hannover das Evangeliar nach wie vor »im Eigentum« des Prinzen Ernst August junior, heutiger Chef der Welfen-Familie, und »in der Verfügungsgewalt« des Prinzen Ernst August senior, Chef zur Zeit der Versteigerung, befunden hat.

    Und das nicht nur bis 1967, was den Vorwurf der »Geschichtsfälschung« (Wernstedt) schon allein erhärten würde, sondern mindestens bis 1977. Aus diesem Jahr datiert ein Anwaltsbrief, der diese Eigentumsverhältnisse bestätigt.

    Hat Albrecht also die Steuermillionen für das Evangeliar dem befreundeten Welfen-Haus zugeschanzt?

    Wernstedt: »Die Angelegenheit stinkt.«

    https://www.spiegel.de/politik/schoener-gegenstand-a-e16a6390-0002-0001-0000-000013517074

  2. @Archivalia, Dr. Klaus Graf

    „Haben die Welfen hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse des Evangeliars Heinrichs des Löwen gelogen?“

    Eine der kulturhistorisch und politisch interessantesten Mitteilungen auf Archivalia in jüngerer Zeit – u.a. deshalb:

    „Der damalige Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) versicherte, dass das Evangeliar zum Zeitpunkt der Versteigerung nicht im Eigentum des Welfenhauses gewesen sei. Dazu verlas er im Landtag einen Brief des 1954 geborenen Ernst August von Hannover, der später als „Prügelprinz“ Schlagzeilen machen sollte.

    „Das Evangeliar befand sich zum Zeitpunkt der Versteigerung, und dies seit vielen Jahren, nicht mehr in unserem Eigentum“, beteuerte dieser in dem Schreiben. Vom Erlös der Versteigerung habe seine Familie folglich nichts erhalten.

    Das Buch, das Ernst Augusts Bruder Heinrich jetzt veröffentlicht hat, stellt diese Version nun klar infrage.”

    Quellen:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Albrecht#

    https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_August_von_Hannover_(1954)

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