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Kinderpornografie im Wiesbadener Stadtarchiv

” …. In Wiesbaden ist ein weiterer Fall von sexuellem Missbrauch von Schülern aufgetaucht. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung entdeckte jetzt im dortigen Stadtarchiv kinderpornographische Bilder aus den siebziger und achtziger Jahren. Sie zeigen nackte Schüler. Es handelt sich dabei um Fotos aus dem Nachlass eines pädokriminellen Lehrers, der seinerzeit an der Wiesbadener Helene-Lange-Schule unterrichtete. Der Fund wurde der Kriminalpolizei übergeben.
Der mittlerweile verstorbene Kunstlehrer Hajo Weber brachte die Jungen dazu, nackt in den Duschräumen der Schule, auf Klassenfahrten und in seinem Atelier zu posieren. Dort hatte er eine Sauna und eine Dunkelkammer, in der er Dutzende von Jungen fotografierte. Zudem hatte Weber in den Jahren 1988 und 1989 fünf Schüler aus der sechsten Klasse der Helene-Lange-Schule in seiner Wohnung und in seinem Atelier mehrfach missbraucht. Der Fall wurde damals bekannt, die damalige Schulleiterin Enja Riegel brachte ihn jedoch nicht zur Anzeige, sondern veranlasste nur Webers Abordnung an das Hessische Institut für Lehrerfortbildung. Nach wenigen Jahren war Weber wieder in der Helene-Lange-Schule aktiv und begleitete mindestens eine Klassenfahrt. Zeitweilig unterrichtete er auch an der Deutschen Schule in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá und wirkte an pädagogischen Projekten in Nepal mit.
Insgesamt lagerten im Wiesbadener Stadtarchiv Bilder von mehr als vierzig verschiedenen Jungen. Nach Webers Tod im Jahr 2008 sichtete auch Enja Riegel zumindest Teile seines Nachlasses. Sie gibt an, nur in seiner Wohnung, nicht jedoch in seinem Atelier gewesen zu sein. Kollegen von Weber brachten die Negative in das Stadtarchiv von Wiesbaden. Seither lagerten sie dort in zwei Holzkisten. Das Depositum umfasst Tausende von Negativen. Zu großen Teilen handelt es sich um stadt- und kulturhistorische Fotos.
Ein Mitarbeiter des Archivs zeigte sich am Freitag gegenüber dieser Zeitung überrascht, dass die Sammlung noch Nacktfotos enthält. Er hatte nach eigenem Bekunden angenommen, dass ein Kollege sie schon allesamt „rausgefilzt“ habe. Die Stadt Wiesbaden teilte mit, dass der Inhalt der Behälter bislang „nur oberflächlich gesichtet worden“ sei.

Quelle: FAZ.net, 12.12.2010

Auch die TAZ und der Spiegel berichten.

Ist dies die richtige Vorgehensweise bei möglicherweise strafrechtlich relevantem Archivgut?


OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
wolfthomas (12. Dezember 2010). Kinderpornografie im Wiesbadener Stadtarchiv. Archivalia. Abgerufen am 14. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/bq73


9 Gedanken zu „Kinderpornografie im Wiesbadener Stadtarchiv“

  1. Wiesbaden: Staatsanwaltschaft beginnt posthume Ermittlungen “Staatsanwaltschaft leitet Verfahren wegen Kinderpornografie ein

    Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden hat gestern ein Ermittlungsverfahren gegen den 2008 verstorbenen Fotografen Hajo Weber eingeleitet. Dem früheren Lehrer der Helene-Lange-Schule wird posthum Erwerb, Besitz und Vertrieb von Kinderpornografie vorgeworfen. Wie berichtet, waren im Stadtarchiv, in dem Webers Nachlass lagert, zahlreiche Negative und Kontaktabzüge gefunden worden, die als Pornografie gewertet werden. Zu sehen sind nackte Jungen, die für die Kamera posieren. Oberstaatsanwalt Hartmut Ferse sagte, die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen Weber liege auf der Hand. „Aber wir können in diesem Fall nicht so tun, als sei uns der Beschuldigte unbekannt.“ Im Rahmen der Ermittlungen werde geprüft, ob sich in diesem Zusammenhang auch andere strafbar gemacht haben.

    Mitarbeiter wussten nichts

    Gegenwärtig sieht die Staatsanwaltschaft keine Veranlassung, gegen Mitarbeiter des Stadtarchivs zu ermitteln. Sie hatten die Kisten aus Webers Nachlass am Freitag einer Journalistin der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zugänglich gemacht. Die Kisten, in denen die Journalistin Kinderpornografie fand, waren zuvor noch nicht gesichtet worden. Die Mitarbeiter des Archivs hätten nicht gewusst, dass in Webers Kisten Pornografie liege, so der Oberstaatsanwalt. „Mag sein, dass wir am Ende der Ermittlungen zu einer anderen Bewertung kommen.“

    Nicht ausschließen will Ferse, dass sich die Journalistin der Sonntagszeitung strafbar gemacht hat, wenn sie aus Webers Nachlass kinderpornografische Aufnahmen mitgenommen hat. Auch die für das Stadtarchiv zuständige Kulturdezernentin Rita Thies (Grüne) äußerte sich „erstaunt“ darüber, wie die Sonntagszeitung mit dem Material umgegangen war, das ihr zugänglich gemacht worden war. Die Journalistin sei von der Archivleiterin aufgefordert worden, „die Persönlichkeitsrechte Dritter zu wahren“ und keine Fotos von dem Material zu machen. Als dann trotzdem Fotos gemacht wurden, sei die Journalistin aufgefordert worden, diese zu löschen. Thies sagte, sie sei überrascht, dass später trotzdem Aufnahmen von nackten Kindern veröffentlicht wurden, die offenbar aus Webers Nachlass stammten. „Ich hätte im Sinne der Betroffenen einen weniger reißerischen Umgang mit dem Thema erwartet.“

    Hajo Weber hatte an der Helene-Lange-Schule vier Schüler sexuell missbraucht. Die Schule hatte das intern geregelt und den Fall nicht bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Öffentlich darüber gesprochen hatte die frühere Schulleiterin Enja Riegel erst in diesem Frühjahr und damit eine breite Diskussion ausgelöst. Die jetzt im Nachlass entdeckten Fotos zeigen nach Angaben der Sonntagszeitung „Kinder von Freunden und Kollegen, nackt in der Schuldusche, nackt im Elternhaus, nackt beim Zelten oder am Strand posierend, erregt“. Im Internet war auf der Plattform Youtube lange Zeit ein Video-Clip abzurufen, auf dem Aufnahmen von Webers Beerdigung zu sehen waren. Gezeigt wurde unter anderem das Kondolenzbuch und die Namen all derer, die sich eingetragen hatten. Der Film, der als Würdigung des Fotografen zu verstehen war, wurde erst am Sonntag aus dem Netz genommen.

    Fragen zum Nachlass

    Schon bei der Beerdigung hatte die Trauergemeinde diskutiert, wie mit Webers Nachlass zu verfahren sei. Das schilderte gestern Reinhard Berg, ein Fotograf aus Wiesbaden, der zusammen mit Weber an dem vom Kulturamt veranstalteten Projekt „Wiesbaden zeigt Gesicht“ gearbeitet hatte. Er erinnert sich an den früheren Lehrer als einen „sehr angenehmen Menschen“. Berg wusste lange nichts von den Missbrauchs-Vorwürfen. Er ist aber auch heute noch überzeugt, dass unter seinen Fotos Zeitdokumente sind, beispielsweise Aufnahmen von Demonstrationen gegen die Startbahn West. Er hält es daher für „plausibel, dass der Nachlass dem Stadtarchiv übergeben wurde“.”

    Posthume Ermittlungen (Wiesbadener Kurier, 14.12.2010)

  2. Wenngleich es sich um keine Straftat handeln mag, unbewusst Kinderpornographie zu verfahren, so sind doch erhebliche Zweifel an der archivarischen Kompetenz erlaubt:
    – Uebernahme eines Nachlasses auf Verdacht hin, ohne Sichtung und Bewertung
    – Vorlage eines solcherart ungesichteten und unerschlossenen Nachlasses ohne jegliche Kontrolle: hier ist ein eklatanter Verstoss gegen jegliche Sorgfaltspflicht festzustellen

    1. Unerträglicher Besserwisser ex post Ich halte das Verfahren für absolut üblich und angemessen.

      Gesamtbewertung eines Nachlasses aufgrund der Bedeutung oder dem Wirken des Nachlassgebers.

      Vorlage unerschlossener Teile an Benutzer. Ist zwar nicht die Regel, aber benutzerfreundlich.

      Kipo entspricht einem Super-GAU, damit muss nun wirklich niemand bei einem Lehrernachlass rechnen.

      1. Das Verfahren ist absolut unüblich und ganz und gar nicht “angemessen”. Ohne vorherige archivarische Sichtung kann man doch kein Schriftgut Dritten zugänglich machen.

  3. Keine Ermittlungen gegen Mitarbeiter des Wiesbadener Stadtarchivs ” …. Gegenwärtig sieht die Staatsanwaltschaft keine Veranlassung, gegen Mitarbeiter des Stadtarchivs zu ermitteln. Sie hatten die Kisten aus Webers Nachlass am Freitag einer Journalistin der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zugänglich gemacht. Die Kisten waren von den Mitarbeitern des Archivs offenbar noch nicht gesichtet worden. Die Journalistin hatte in ihnen die Kinderpornografie gefunden.
    Die Mitarbeiter des Archivs hätten nicht gewusst, dass in Webers Kisten Pornografie liegt, so der Oberstaatsanwalt. “
    Quelle: http://www.wiesbadener-kurier.de/region/wiesbaden/meldungen/9726374.htm

  4. Viele Fragezeichen nach Fund pornographischer Fotos im Stadtarchiv Wiesbaden “Kulturdezernentin Rita Thies (Grüne) hätte sich von den Mitarbeitern des Stadtarchivs beim Umgang mit dem Nachlass von Hajo Weber „ein bisschen mehr Sensibilität gewünscht“. Die für das Archiv zuständige Politikerin reagierte damit auf die Recherchen der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, deren Mitarbeiterin – wie berichtet – am Freitag kinderpornografische Fotos von Jungen entdeckt hatte.

    Auf diesen Bildern sollen, nach Angaben der Zeitung, auch ehemalige Schüler der Helene-Lange-Schule zu sehen sein. Weber hatte dort Kunsterziehung unterrichtet, bis 1989 bekannt geworden war, dass er vier Schüler sexuell missbraucht hat. Die Schule hatte den Fall damals nicht bei der Staatsanwaltschaft angezeigt, ihn vielmehr schulintern geregelt. Erst im vergangenen Frühjahr hat die inzwischen pensionierte Schulleiterin Enja Riegel die Straftaten des 2008 verstorbenen Pädagogen und Fotografen öffentlich gemacht.

    Journalistin sichtet zwei Kisten Nachlass

    Rita Thies sagte am Sonntag, die Journalistin der Sonntagszeitung habe schon vor dem vergangenen Freitag Zugang zum Nachlass des Kunsterziehers gehabt. Sie habe bei diesem ersten Termin bereits gesichtetes Material ausgehändigt bekommen. Es sei ein übliches Verfahren, dass Vertretern von Medien Fotos vorgelegt würden, die die Stadtgeschichte dokumentieren. Weber hatte unter anderem Aufnahmen von Demonstrationen gemacht.

    Am Freitag sei die Journalistin ein zweites Mal gekommen. Auf dem Leihschein habe sie Interesse am Nachlass von Hajo Weber bekundet. Ihr seien daraufhin zwei Kisten überlassen worden, die noch nicht gesichtet worden waren. Die Mitarbeiter des Archivs seien davon ausgegangen, dass sich in diesen beiden Kisten die Fotonegative jener stadtgeschichtlichen Aufnahmen befänden, die die Journalistin bereits gesehen hatte. Tatsächlich fanden sich in den Kisten die kinderpornografischen Aufnahmen. „Der Freitagmorgen im Stadtarchiv war aber hektisch“, so Thies.

    Fotos von nackten Kindern

    Die Dezernentin war am Freitag selbst im Stadtarchiv und hat die in den Kisten gelagerten Negative und Kontaktabzüge begutachtet. Sie hat Fotos von nackten Kindern gesehen, die für die Kamera posierten. Die gestern von der Sonntagszeitung beschriebene Bilderserie jedoch, die „immer das gleiche zum Lustsklaven abgerichtete Kind“ zeigt, sowie Jungen „beim Anal- und Oralsex“, hat die Dezernentin nicht gesehen.

    Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet ferner, es handele sich um Bilder von mehr als vierzig Jungen. Woher die Jungen stammen, bleibt größtenteils allerdings unklar. Und auch Rita Thies hat bei ihrer Sichtung der Negative und Kontaktabzüge nicht entdecken können, „dass die Jungen irgendeiner Schule zuzuordnen sind“.

    “Der Mann war doch tot”

    Der Nachlass von Weber war dem Stadtarchiv von einem Jahr übergeben worden, wegen seiner angeblich stadtgeschichtlich bedeutsamen Fotos. Das Archiv nehme einen Nachlass grundsätzlich unter Vorbehalt an, sagte Rita Thies. Man habe keine Veranlassung gesehen, den Nachlass sofort zu sichten. „Der Mann war doch tot.“ Als im Frühjahr die Straftaten Webers öffentlich wurden, habe das Archiv dem Nachlass auch deshalb keine besondere Beachtung geschenkt, „weil die Straftaten schon so viele Jahre her waren“.

    Dass sich die Mitarbeiter des Archivs strafbar gemacht hätten, weil sie Kinderpornografie aufbewahrt und „vorrätig“ gehalten hatten, sieht Thies nicht. „Wir haben sofort die Polizei eingeschaltet, als uns bekannt wurde, dass in den Kisten auch Kinderpornografie lagert“.”
    Quelle: Christoph Cuntz, 12.12.2010, http://www.wiesbadener-kurier.de/region/wiesbaden/meldungen/9723894.htm

  5. Änderungen Genauere Angaben fehlen ja in den Berichten. Aber zur Zeit als die Aufnahmen gemacht wurden, galten sie wahrscheinlich noch nicht als Kinderpornographie.

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